Und noch ein Lesehäppchen an diesem Tag. Diesmal ist es der Anfang von "Gehen lassen", einem sehr persönlichen Text, geschrieben für den Literaturwettbewerb der U.S.E Berlin. Dort hat er nun den 2.Platz belegt, was mich sehr, sehr freut.
Ja, ich war auf der Geschlossenen.
Ich habe mich selber eingewiesen, weil ich Angst hatte, mich selber zu töten.
Die folgenden Worte sind authentisch.
Aber jetzt schweige ich stille und lasse meine Geschichte für sich sprechen.
I
„Warum bist du
hier?“, möchte ich fragen, doch ich habe weder Stimme noch Worte, die zur
Außenwelt durchdringen können. Also halte ich die Klappe, so sehr, dass sich
meine Kiefermuskeln verhärten. Alles schweigt still.
Ich sehe ihn an.
Kann nicht verstehen, wie er seit einer Woche seine Zeit verschwendet, um hier
neben mir zu sitzen, in dem kargen Aufenthaltsraum. Manchmal versucht er, meine
Hand zu halten, doch ich entziehe sie ihm. Will ich ihn bestrafen? Nein. Wofür
auch. Es ist nur so: Anfassen verboten. Warum? Weil das, was er anfasst,
verdorben ist. Ein fauliges Stück Wesenheit. Er aber soll nichts Unreines
berühren. Er soll sich nicht mit mir beschmutzen.
Ich seufze.
Er sieht auf.
Hat die ganze Zeit auf die Tischplatte gestarrt. Das macht er immer, wenn die
Neuigkeiten des Tages erzählt wurden und es nichts mehr zu sagen gibt. Aber
jetzt sieht er hoch, sieht mir ins Gesicht. Sein Blick ist fragend. Hoffend.
Ein Seufzen ist
doch mal was. Eine Regung. Vielleicht wird sie gleich anfangen zu reden, mag er
denken. Vielleicht wird sie mir gleich erklären, warum wir hier gestrandet
sind, auf der Geschlossenen. Gab es wirklich keinen anderen Ausweg? Vielleicht…
Aber ich drehe
mich weg. Kann ihn nicht mehr ertragen. Lass mich.
...