Sonntag, 27. Februar 2011

Wozu Träume gut sind...

... und warum die eigene Biographie eine so große Rolle spielt.


Da wurschtel ich mich so durch die Liste der Schreibwettbewerbe, Anthologienaufrufe und ähnlichem - und finde die Ausschreibung zum Walter-Kempowski-Literaturpreis. Thema: Familie. Oh. Gut. Klasse. Da hätt ich was zu sagen! Abgabetermin: morgen. Der 28.02.2011. Poststempel gilt. Poststempel? Keine mail? Okay, dann muss es eben so gehen.
Doch erstmal muss eine Geschichte her, ein Ansatz, sonst gäbe es nichts für den Poststempel. Also, was tun? Ich bemühe meine Biographie:


Da gab es doch mal einen Traum - von Bären. Im Alter von 10 Jahren geträumt, heute so präsent wie damals  - und mit der Zeit ist er auch nicht wirklich schöner geworden. Hinsetzen, schreiben, dabei ergänzen, ergänzen, ergänzen... Und schon habe ich die Geschichte. Die Analogie. Den Text -


- Und nun eben auch einen gefüllten Briefumschlag, der morgen zur Post getragen wird.


Ich wage nicht an einen Platz unter den ersten drei zu denken, da bin ich noch weit von entfernt. Aber sollten sich die Herrschaften des Hamburger Autorenverein dazu entschließen, eine Anthologie zusammenzustellen, dann würde ich mich glücklich schätzen, wenn sie die "Drei Bären" darin aufnehmen würden...


Wann erfahre ich von meinem Glück? Im Oktober!!! Das stellt meine Geduld auf eine harte Probe. Oder ich vergesse einfach, dass ich etwas dahin geschickt habe. Vergessen. Soll manchmal helfen.

Freitag, 25. Februar 2011

Infusion


Ich komme aus der Wüste. Das schrillende Knirschen des Sandes dringt direkt in mein Hirn. Die Hülle ist brüchig und porös. Schmerz, da ist Schmerz – zu grell, zu stark. Die Stacheln richten sich gegen mich selbst. Das ist nicht zu ertragen. Ich spüre den Riss, der sich mit jedem Augenblick fortpflanzt. Die Ahnung des Untergangs manifestierte sich vor Moronen schon. Bis jetzt konnte ich es ignorieren. Wie kann man mit Gewalt etwas zusammenfügen, das auseinander bricht? Ich kann es nicht mehr. Ich bin geflohen. Ich bin gerannt. Dünen warfen mich zurück, immer wieder, rieben mich wund und hohl. Nun ist nichts mehr da, das die Leere füllt. In den Überbleibseln meiner Silikatkonglomerate tobt ein Sturm. Dunkelrot pulsierend, rau, schuppig. Zermürbend wie die Sonne, die einst Schutz war. Lebensspenderin – trocknet sie mich nun bei lebendigem Leib aus. In den früheren Episoden unbestimmter Sinneszustände sah ich Bilder vor mir. Lichtgraue Visionen kaltklafternder Steinwüsten. Ihr Tau benetzte meine Stacheln, richtete sie auf. Damit konnte ich leben – überleben. Aber diese tröstliche Melancholie ist mir seit dem Tag verwehrt, da ein hohles Knacken an mein Ohr drang. Es war unspektakulär. Ich nahm es am Rande wahr. Ich dachte mir nichts dabei. Ich war mir nicht einmal bewusst, dass ich es war, das da brach. Die Sonne rief mich in die Aktivzeit zurück. Ich fuhr die Stacheln aus und machte mich gehorsam in den Kampf auf, der mir von je her bestimmt war. Doch dann drang der schmirgelnde Sand in mein Inneres. Ein unbestimmtes Ziehen und Reißen begleitete mich seit diesem Mor. Noch kein wirklicher Schmerz, mehr eine Ahnung, die von den Instinkten überlagert wurde. Aber Reflexe können nicht auf Dauer schützen.

Ich komme aus dem Wasser. Die Wellen sind ölig, ich bin ölig geworden. Schimmernde Schlieren, die sich schwer auf die Leichtigkeit legen, die mich sonst ausgemacht hat. Wo sind die anderen? Früher suchte ich sie nicht, denn sie waren immer da. Doch nun verschlammt die Einsamkeit mein Wesen. Trübe sind die Wasser geworden, die mir Heimat sind. Und ich möchte fliehen. Ich möchte über die Steine springen, fort von diesem Ort. Doch der Boden kommt mir zu nah. Er hat vor Kaskaden begonnen, nach mir zu greifen. Unmerklich, nachlässig. Ich begriff es nicht gleich. Dachte, es wäre Zufall, der mich vor die Barriere aus Steinen trieb. Dachte, ich könnte mich befreien, wenn ich trotzig meinen eigenen Weg wählen würde. Doch nach ungezählten Kämpfen und Befreiungsschlägen komme ich kaum vorwärts, denn der Untergrund hat mich fest in seiner tumben Umklammerung. Er ist nicht offen für Worte, er ist geistlos. Er versteht mein Flehen und mein Bitten nicht.
Jetzt bleibt mir nicht mehr viel. Jetzt bleibt mir nur noch, zu sterben.
Also richte ich mich in diesem Tümpel ein, der noch geblieben ist und träume von flüssigklarer Transparenz vergangener Zeiten. Welch Hohn…

Die Aktivzeit ist vorüber. Dunkelheit kommt auf. Sie schiebt sich träge über die fernen Dünenkämme, die mir noch im letzten rotgoldenen Aufblitzen den Hohn des nächsten Tages zuzwinkern. Sie haben Zeit. Sie hatten schon immer Zeit. Sie wissen nichts vom Kampf. Ich halte einen Moment inne. Meine Träume führen mich zurück in die feuchtkalten Geröllwüsten. Das Bild ist fester in mir verankert, als ich es zu hoffen wagte. Vorsichtig schiebe ich die Stacheln aus. Zaghaft löse ich mich vom Schmerz. Lasse alles fahren.
Wind kommt auf, der mich über den Sand treibt. Ich holpere den Abhang hinunter. Diesmal meint es der Zufall gut mit mir, denn gegen diese Düne werde ich morgen nicht anrennen müssen. Ich weiß schon längst nicht mehr wohin ich will. Ich weiß noch nicht einmal mehr, woher ich komme. Aber die Bewegung illusioniert ein Vorwärtskommen. Ein Akt des eigenmächtigen Handelns, der mich an die vergangen Stärke erinnert.
Damals…

…Damals waren die Kaskaden getränkt von Sonnenstrahlen, die tief in mich eindrangen. Sie griffen nach mir und ich gab mich ihnen willig hin. Türkis, grün, azur – ich trug viele Farben in mir. Ich teilte sie mit den silbrig schimmernden Blitzen schuppigen Bewusstseins. Es gab keine Grenzen, nur Strudel, die sich an Felsen bildeten. Leben bedeutete Freiheit, Leben bedeutete Spiel. Es gab nur die Kaskade des Augenblicks. Es gab kein Halten.
Jetzt gibt es nur ein bewusstloses Steinbraun in den Resten meines damaligen Seins. Früher verachtete ich die Steine. Früher verachtete ich alles, das unbeweglich verharrte. Ich trieb mein lachendes flirrendes Spiel mit ihnen. Jetzt wünschte ich, ich wäre mehr wie sie. Ich wünschte mir, ich hätte eine Form. Ich wünschte mir, ich hätte Kraft. Ich wünschte, ich wünschte…
Ich will nicht wissend vergehen. Daher blende ich alles aus, was noch an mich heran dringt. Gut, dass wir ein Gedächtnis haben. Geschichtenerzähler, dass waren wir. Narren, dass sind wir. Ich möchte träumen von den Wirbeln, in denen wir uns austauschten. Ich möchte träumen von den Dunkelheiten, in denen wir im Funkeln der Lichter über uns mit einander verschmolzen. Ich möchte träumen von den Momenten, da wir mit unseren Geschichten die Tropfen impften, die wir in die samtweiche, seidenkühle Freiheit entließen.

Ein Stein stellt sich mir in den Weg. Der Schmerz flammt auf als einer meiner Stacheln mit einem Knirschen an ihm zermalmt. Meine Agonie schreit zum Himmel. Er antwortet nicht. Aber noch will ich nicht aufgeben. Das bin ich mir schuldig. Das bin ich uns allen schuldig. Wer weiß, wie viele es noch von uns gibt. Inmitten meines lodernden Restwillens sehe ich sie vor mir. Wir waren uns nie wirklich nahe, Kämpfer die wir sind. Aber wir wussten voneinander. Hin und wieder traf man sich und hinterließ Spuren. Spuren, die nach nur wenigen Moronen, den eigenen Instinkten folgten. Wenn es so weitergeht, werde ich nichts hinterlassen. Aber bis dahin werde ich schreien!

Ein heißer Wind streicht über mich hinweg. Und er singt von Qual. Ich spüre ein Brennen dort, wo er mich berührt. Der Schlamm in mir beginnt zu glühen. Rot leuchtet es in mir auf. Wer zerrt mich aus meinen Träumen, wer wagt es? Nehmt mir nicht alles, nicht alles, was mir noch bleibt! Ich bin noch nicht bereit, ich habe noch zu viele Geschichten in mir!

Der Wind treibt mich weiter. In meinem Kopf sind Spiegelscherben, taumelnd stürze ich ins Verderben. Hinunter, hinunter. Der Wind hat mich von meinem stummstarren Peiniger weggezerrt. Er kennt keine Gnade – so wie ich sie nie gekannt habe, wenn meine Opfer in den Stachelkreis gerieten. Ein Flackern in der Tiefe. Wahr oder nicht? Keine Ahnung, da ist nichts mehr, dass ich noch bewusst steuern kann. Rot, rot – das sich verbindet mit grünlichem Sprühen. Eine Ahnung von Kühle erreicht mich. Wenn es jetzt soweit sein soll – dann lass mich dort sterben. Von der Erinnerung an die Kälte umarmt. Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich will nicht mehr kämpfen. Ich strecke meine Waffen. So ist also das Ende…

Der Wind treibt in heißen Schwaden ein körniges, raues Sterben heran. Ich spüre es. Ich empfange es. Es gleicht zu sehr meinem eigenem Sterben. Das letzte Aufbäumen hat mich fast alles gekostet, dass ich noch besaß. Es bleibt keine Kraft mehr zum friedlichen, unbewussten hinüber Gleiten. Ob es den anderen, die vor mir gegangen sind, ähnlich ergangen ist? Doch was würde mir eine Antwort jetzt noch bedeuten? Könnte sie mir Trost spenden? Nein, denn dies ist mein Erleben. Niemand der mir nahe steht, könnte jetzt noch etwas ändern. Aber bitte, bitte, lasst mich nicht allein…Spürt ihr nicht, dass ich bereit bin zu empfangen?

Alles ist stumm. Alles ist Schweigen. Bin ich tot? Ich spüre Feuchtigkeit unter mir. Ich spüre ein schlammiges Nest unter meiner Hülle. Die lauwarme Nässe dringt durch den Riss meiner Hülle in mich ein. Es ist nicht der kristallene Tau meiner inneren Steinwelt. Es ist ein dunkles, glattes Laken, das sich an meine geschundenen Stacheln schmiegt. Ich bin zu schwach um mich dagegen zu wehren…

Ich umarme dich, Fremder. Ich kenne dich nicht. Aber du bist hier. Wer weiß, wer dich geschickt hat, wer weiß, wozu es gut sein soll. Nimm mich auf, beschütze mich, denn ich bin zu schwach, um in diesem Moment allein zu sein.

Was bist du? Ich kenne dich nicht. Willst du mein Leben? Das gebe ich dir, denn ich bin zu schwach, um es noch länger zu beschützen.

Ich will nicht dein Leben. Ich will deine Nähe. Nur für einen Moment.

Warum?

Damit ich geben kann, was ich zu geben habe…

Ich bin kein Freund.

Ich bin kein Feind.

Die Sonne küsst die Dunkelheit zum Abschied. Sie schiebt sich über die Kämme der Dünen, die sich friedfertig zum Horizont hin öffnen. Ich lebe noch. Vorsichtig fahre ich die Stacheln heraus. Der Schmerz ist verschwunden. Der Riss ist geheilt. Der Sand in mir ist gebunden, eingehüllt. Und alles was bleibt, ist ein Lachen in mir, das mir fremd ist. Und gleichzeitig so vertraut, als ob es schon immer in mir gewesen wäre. Ich weiß, dass der Tod um mich war. Ich weiß, dass der Tod in mir ist. Doch es ist nicht der meine. Die Nacht hat ihre Spuren hinterlassen. Ich frage mich, wann sie in mir wirken werden.  

Gabriele Behrend, Andromeda Nachrichten 205 [Dezember 2004]

Was lange währt...

... wird endlich gut!

"Staubzeit" wird in der Anthologie "Mittendrin - Der Laubkönig erzählt..." des Wunderwaldverlags erscheinen.

Ich freue mich für Mudri und Corazon und feire das mit dem letzten Satz von "Staubzeit":

ESTA ES BIEN!

Montag, 21. Februar 2011

Der schwere Fall

Federfüssig schwebte sie über die gläsernen Stacheln des weiten Feldes,
das sich bis zum Horizont wellte,
nur um sich dahinter in klirrender Einsamkeit zu verlieren.

Federfüssig schwebte sie über das fließende Feuer des breiten Stromes,
der sich träge bis zum Rand der Welt schob,
nur um dahinter in eisiger Verlorenheit zu erkalten.

Federfüssig schwebte sie über die weißkalkigen Knochen des tiefen Tales,
die zerbrochen dem graufahlen Himmel entgegenragten,
wobei sie sich zu ruinösen Prachtbauten anhäuften, ohne Sinn, ohne Verstand.

All dies überflog sie mit einem Blick, mit einem Federstreich.
Machte das Grauen zunichte,
löste es auf in Bausch und Bogen.

Doch später dann, als sie zu den ihren schwebte,
als sie wieder eine unter vielen wurde,
da verloren ihre Füße die fedrige Leichtigkeit.
Wie ein Stein fiel sie aus allen Wolken,
ins Leere,
ins Schwere.
In unendliche Meere glühend geschmolzener gläserner Splitter,
die sie tiefer zogen,
tiefer, tiefer,
bis die Luft schwand und mit ihr alle Sinne.
Ihre Hand griff ein letztesmal hinauf zu den Sternen.
Was sie fasste, war weiß und kalt - schon spürte sie die Rettung.

Doch alles woran sie sich letzterdings klammerte,
war ein zerbrochener Knochen.
Ausgehöhlt und morsch.


Montag, 14. Februar 2011

Recherche...

... betreibe ich selten. Umso mehr hat es Spaß gemacht, sich für diese kurze Kurzgeschichte durch den Londoner Underground zu wurschteln.
Die Northern Line ist für mich jetzt ein bunter Hund. Wuff.

Die Geschichte heisst dementsprechend:

Belsize Park Station

und ist für diese Anthologie gedacht. Keep your fingers crossed!

Samstag, 12. Februar 2011

Und noch eine Ausschreibung ...

... und dann ist Schluß für heute.
Aber da es sich hier um Science Fiction handelt und mein Herz dabei so weit aufgeht wie ein Scheunentor, musste ich sie erwähnen.

http://www.twilightline.com/archiv/ausschreibung-ruf-der-sterne-2011/

Also in die Tasten gehauen und/oder den Griffel gespitzt - hier werden Texte UND Bilder gesucht. Aufi!

Noch'n Gedicht? Nein, es sind nur weitere Ausschreibungen...

Teuflisch: LUZIFER-Verlag

... mit gleich 6 - in Worten SECHS - Ausschreibungen für Text und Bild, Abgabetermine lt Ausschreibung.

Also ran an die Tasten, es ist noch Zeit genug!

Ich hab's getan!

"Vulcaniella Pomposella" ist mit Expose und Autorenvitae zum Textzüchter gemailt worden und harrt dort der Dinge, die da kommen werden. Einsendeschluß ist der 31.3. - da kann also viel Wasser den rhein hinunterfliessen - und ich kann hoffentlich erfolgreich verdrängen, dass da noch ein Text in Warteschleife liegt.

Egal. Für heute bin ich nervös. Und aufgeregt. Und frage mich: ist es grotesk genug? Oder doch eher abgeschmackt, langweilig, schon dagewesen?

Ach Vulcaniella - flieg. Flieg in den Sonnenschein und breite deine Flügel über mich aus...

Dienstag, 8. Februar 2011

Und noch eine...

... (neue) Ausschreibung - diesmal für das Online Magazin Dornendickicht.
Abgabetermin: 10.07.2011


Ausschreibung des Dornendickichts: »Dunkelheit«


Also macht das Licht aus und fangt an zu schreiben!

Samstag, 5. Februar 2011

Aus "Staubzeit" wird "Staubzeit"

... wie bitte?

Soll heissen, dass die Kurzgeschichte erwachsen wird -
oder anders:
wie werden aus 19,392 Anschlägen 100,000 ~ 180,000?

Ein neues Projekt also, das über eine Deadline verfügt - der 15.09.2011.
Das war mal der Geburtstag meiner Großmutter.
Damit ist klar, für wen ich die neue "Staubzeit" schreiben werde.

Hier geht's zur offiziellen Ausschreibung!

Mittwoch, 2. Februar 2011

Menschseelen III

Eines neuen Lebens Morgen erwachte jeder von ihnen in seinem eigenen kleinen Universum. Die Füße im Boden verankert, den Kopf im Himmel, waren sie umgeben von ihren herzklaftertiefen Wünschen, die sich wie ein undurchdringlicher Schimmer zwischen sie und die Außenwelt spannten - etwas mehr als eine Armeslänge entfernt, so dass selbst die gestreckten Fingerspitzen nicht an die Wünsche heranreichten.
Da fingen sie an zu träumen. Das taten sie 12 Leben lang.
Nach den Träumen setzten das Sehnen ein. Das schmerzte 120 Leben lang.
Als sie schließlich drohten in dem Leid der Sehnsucht zu ertrinken, mitten in ihrem Universum, das wie eh und je um ihre eigene Mitte kreiste, schlossen sie die Augen und erinnerten sich an die Überreste des Stranges. Ihnen kam der Gedanke, dass sie sich nur an dem nebligen Gewirr fahler Fäden zurückhangeln müssten, um den anderen zu erreichen.
Da fingen sie an zu glauben, jeder von ihnen auf seine Weise. Sie färbten die nächsten tausend Leben mit ihrem Glauben, während sie auf ihren Planeten taten, was getan werden musste. Man schloß sich mit anderen Sehnenden zusammen, die ebenso auf der Suche waren wie sie selber. Man ging Zweckverbindungen ein, focht tausend Kriege, unterhielt Stellvertreterbeziehungen, in denen der eine, der, der auf Armeslänge da sein sollte, mit anderen ersetzt wurde, die gerade vorhanden und einem ähnlicher als der ganze Rest waren.
Doch mit den tausend Leben kam die Gewohnheit daher. Sie mischte sich auf beiden Seiten unter die Sehnenden, ließ Wunschsphären aufblatzen wie überreife Früchte, die schon zu lange im eigenen Saft gärten und hüllte die Nackten und Bloßen im Gegenzug in satter Zufriedenheit ein. Das Sehnen verschwand, die Suche verschwand. Der Strang geriet in Vergessenheit, die Nabelschnur wurde zu einer Legende.
Doch die, die sich ihre eigenen Universen bewahrt hatten, die, die weiterhin daran glaubten, dass es wichtig sei, den Nebelfetzen zu folgen, taten sich zusammen, den Blick zum Himmel gewendet. Sie wussten, dass sie einander wiederfinden würden, dort oben, inmitten des All-Einen.
Hundert Leben später hob ein Schiff ab - von dem einen, wie auch dem anderen Stern. Sie trafen sich in der Mitte, zerschellten in aller Stille, vermengten ihre festen Bestandteile, bevor sie auseinandertrieben.
Sechs Leben lang.
Die Sehnenden schlugen danach die Augen auf, die seit Anbeginn ihres Glaubens geschlossen waren. Vor ihnen, auf Armeslänge entfernt, trieb ihr ebenso waches Gegenstück. Ein Seufzen ging da durch das Nichts, es war als ob es tief Luft holen würde, für den ersten Moment seit seiner Erschaffung. So zog sich das All-Eine zusammen und trieb die Getrennten einander in die Arme.
Ein Leben lang und noch eins länger.


Seitdem trieben sie sporengleich durch das Nichts, prallgefüllte Rekombinationen aus Gedanken, Erfahrungen, Leben, die es vorher nicht gegeben hatte und die jetzt nicht wissen, wohin mit sich selbst. Manchmal, wenn sie den Lauf eines Planeten querten, ließen sie ein Stück von sich dort, impften ihn mit ihrem Geist, bevor sie sich wieder aus seiner Schwere lösten.
So verging ihr letztes Leben.


Fin.