Freitag, 2. Dezember 2011

Patchwork


 Gestern ist es bei mir eingetroffen, das Belegexemplar von Nova 18. Im neuen Gewand, im neuen Verlag - und wie ich finde: rundum gelungen.

Neben anderen Stories hochklassiger Autoren ist auch Patchwork enthalten, eine Geschichte, die mit einer Frage endet, die den männlichen Vertretern unserer Spezies so oder so ähnlich auch hin und wieder durch den Kopf gehen mag.

Dabei fängt alles so harmlos an...


[...]Sie ist lange durch die Straßen gewandert, ziellos wie es schien, aber ist das Leben ziellos? Sie ließ sich durch die Menge treiben, tastete sich durch die Mäntel, Jacken, Tücher, die jetzt, im Vorwinter, allesamt nach totem Hund rochen. Sie hielt die Augen geschlossen, spürte mit den Fingerspitzen, spürte mit und auf ihren zwei Quadratmetern Haut die Gleichgültigkeit, den Ärger, das Missfallen derjenigen, deren Kreise sie störte. Sie roch sich durch billige Düfte ohne Kopf- und Fußnote, lernte jeden Tag aufs neue die ganze Varianz menschlicher Ausdünstungen kennen und lieben, verurteilte nichts und niemanden, sondern begrüßte jeden in ihrer Seele, solange sie die Augen nur fest geschlossen hielt, und die Wesen um sie herum kein Gesicht bekamen.
Und während dieses blinden Tanzes, der schweigend, auf Zehenspitzen, aufgeführt wurde – von ihr und den Menschen um sie herum - war sie doch nur auf der Suche.
Als sie nach Stunden erschöpft an einem Laternenpfahl neben einer Ampel innehielt, traf sie sein Duft wie ein Keulenschlag. Halt, murmelte sie. Halt! Mit der Linken krallte sie sich in den Kragenaufschlag seines Tweedmantels, um ihn zu stoppen. Die Rechte flatterte tastend hinauf zu seinem Gesicht. Er war groß, sie musste sich auf die Zehenspitzen strecken. Ein markantes Kinn, Bartstoppeln, rissige Lippen, hängende Backen, aber prägnante Jochbeine. Cäsaren-Nase.[...]

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